Mittwoch, 08.06.2005
182 km
Summe 956,5 km
Unsere "polnische Mutti" bereitete früh um 6:30 ein überreichliches Frühstück mit vielen Sorten Käse, Wurst und Schinken, Fisch und Rührei, Marmelade und Honig. Mehr als die reichliche Hälfte war auch mit unserem großen Appetit nicht zu schaffen. Im übrigen zahlten wir für Übernachtung, Abendbrot und Frühstück zusammen 210 Zl., was in etwa 52 EUR entspricht.
Gegen 7:00 Uhr unternahmen wir den ersten Startversuch, es fing aber heftig an zu regnen, so dass wir erst einmal noch etwas abwarten wollten. Wir versuchten, die Wettervorhersagen im polnischen Videotext zu deuten. Die verhießen nichts Gutes und es sollte wohl unser härtester Tag werden.In der Zwischenzeit wurden wir noch mit einem heissen Tee mit Zitrone versorgt.
Gegen 8:00 Uhr ging's dann aber wirklich los. Der Wind hatte über Nacht kräftig zugelegt und gedreht, er blies uns jetzt, direkt aus Norden kommend, heftig entgegen. Die Temperatur war auch weiter gesunken, vielleicht noch so 12 Grad Celsius. Meine Frau hatte mir abends am Telefon erzählt, im heimischen Erzgebirge wär's nur noch knapp über dem Gefrierpunkt und die Hagelkörner wären als weisse Schicht liegengeblieben.
Den Weg nach Brodnica, den uns unsere Gastgeber geschildert hatten, haben wir natürlich wieder einmal nicht gefunden, also mußten wir die restlichen 3 km auf der E15 zurücklegen. Falk fing wegen des Sauwetters an zu schimpfen, wie ein Rohrspatz. Er ist schon immer ein Regenmuffel gewesen. Ich sehe das etwas gelassener, seit unserem Irland-Urlaub vor zwei Jahren kann mich da auch nichts gleich wieder erschüttern.
Hinter Brodnica wurde die Gegend recht hügelig, die teils langen Anstiege wurden bei heftigem Gegenwind zur Qual, zumal die Straße 544 auch recht verkehrsreich war. Bei km 25 erreichten wir Lidzbark. Hier gab es das übliche zweite Frühstück, diesmal im wesentlichen aus Keksen bestehend. Falk hatte diesmal ein besonders unglückliches Händchen beim Kauf der Getränke, in unseren Trinkflaschen befand sich jetzt eine dickflüssige Suppe, die im wesentlichen aus Möhrensaft zu bestehen schien.
In Lidzbark konnten wir die Hauptstraße verlassen und über fast autofreie Nebenstraßen nördlich fahren. Der Spaß an der schönen Landschaft wurde durch den fast sturmartigen eiskalten Gegenwind deutlich getrübt. Wir fuhren über Jelen, Koszelowy, Tucki, Prusy, Waldzyn bis Dabrowno. Dort machte unser Weg einen scharfen Knick nach Osten, damit lies dann auch der Gegenwind endlich nach. Bei Leszcz gelangten wir auf eine ganz ruhige Nebenstrecke, die Dörfer liegen hier 5 bis 10 km auseinander und wir hatten die Straße für uns allein. Kurz nachdem wir an einem Riesen-Sandberg nebst Kieswerk vorbei waren, kamen uns vier LKW in kurzen Abständen entgegen, die uns fast von der Straße geblasen hätten.
Bei Radzki ging es wieder ein Stück nördlich, der Wind war eher noch stärker geworden. Ab Lyna führte die Strecke dann häufiger durch den Wald, was wir als viel angenehmer und auch wärmer empfanden. Die Navigation war hier etwas erschwert. Ich hatte in Vorbereitung der Tour die relevanten Seiten aus dem Atlas eingescannt und auf A4-Blätter wieder ausgedruckt. Diese lassen sich schön unter die Klarsichtfolie auf der Lenkertasche schieben, so dass man auch während der Fahrt die jeweils nächsten Abzweige gut erkennen kann. Wir waren aber deutlich südlicher gefahren, als ich zu Hause vorgeplant hatte und jetzt fehlte uns das Kartenblatt 32. Nicht weiter schlimm, aber wir mussten halt alle paar Kilometer eine kurze Pause einlegen und den Atlas rauskramen.
Weiter ging es über Dluzek, Jedwabno, Waplewo, Pasym nach Dzwierzuty. Ursprünglich wollten wir von dort weiter Richtung Mragowo. Da die Zeit aber doch schon recht weit fortgeschritten war, planten wir um und fuhren über die 57 in Richtung Biskupiec. Wir waren ziemlich durchgefroren und versuchten, noch vor Biskupiec eine Herberge zu finden. Da gelang uns aber nicht und so wurde die Tagesetappe trotz der widrigen Verhältnisse eine unserer längsten. Ich sollte vielleicht noch erwähnen, dass es in den polnischen Dörfern kaum Übernachtungsmöglichkeiten und auch keine Kneipen gibt. Man muss sich also immer an wenigstens mittelgroße Städte oder Erholungsgebiete halten.
Die Fotografierlust hielt sich an diesem Tag ebenfalls sehr in Grenzen.
In Biskupiec stiegen wir recht durchgefroren gegen 19:30 Uhr im ersten Hotel ab, das an der Strecke lag, obwohl dieses piekfeine Haus eigentlich nicht so unserem Geschmack entsprach. Letztlich waren wir aber nach der Nieselregen-Saukälte-Gegenwind-Quälerei froh, endlich auszuruhen. Falks Kommentar: Radfahren zum Abgewöhnen. Ich fand's eigentlich nicht ganz so schlimm, obwohl ich zum Schluß eher in Falks Schlepptau gefahren bin, da seine Kondition doch ein Stück besser als meine ist. Wir haben uns gewundert, dass wir trotz der schlechten Bedingungen und keiner richtigen Mahlzeit über 180 km geschafft hatten. Vielleicht war ja die Möhrenbrühe ein geheimer Kraftspender und weit besser, als ihr Geschmack vermuten lies.
Die Räder mussten wir diesmal über Nacht draussen lassen, im Hinterhof des Hotels. Wir hatten allerdings in Polen nie den Eindruck, als müssten wir Angst um unser Hab und Gut haben. Wir haben auf unsere Sachen bei allen Touren immer ein wachsames Auge gehabt, in Polen nicht mehr und nicht weniger als in Deutschland.
Der Abend endete im Hotelrestaurant, es gab eine hervorragende Steinpilzsuppe und Ente "altpolnischer Art", mit einer Sauce aus heißen Kirschen, dazu ein paar Bierchen. Das Abendbrot entschädigte für die erlittenen Qualen, zumal es von einer sehr reizenden Kellnerin serviert wurde. Dafür waren 100 Zl. (ca. 25 EUR) nicht zuviel bezahlt.
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