Viseu de Sus – Budesti 66km
Auf den letzten beiden Etappen gestern und vorgestern haben wir durch zwei Gewaltritte und eine Streckenverkürzung unseren eintägigen Rückstand wieder aufgeholt. Nach reichlich 320km in Richtung Norden befinden wir uns jetzt wieder auf der geplanten Route.
Deshalb wollten wir es heute ganz ruhig angehen lassen. Viseu de Sus ist auch bekannt für die hier startende äußerst historisch anmutende Waldeisenbahn (Wassertalbahn). Diese Schmalspurbahn ist auf ausgeleierten Gleisen mit Dampfloks aus dem vorvorigen Jahrhundert unterwegs. Auf einer abenteuerlichen Fahrt kann man zusammen mit den Holzarbeitern tief in die karpatischen Wälder bis kurz vor die ukrainische Grenze fahren. Unterwegs wird man mit rustikalem Essen vom Grill und mit Getränken versorgt. Darauf hatten wir uns sehr gefreut, doch es sollte anders kommen. Nachdem wir pünktlich 8:00 am Bahnhof angekommen waren, teilte uns ein freundlicher Mitarbeiter mit, dass die qualmende Rumpelbahn seit dieser Woche nur noch von Donnerstag bis Sonntag unterwegs ist. Darüber waren wir sehr enttäuscht.
Nach ein paar Fotos auf dem Bahngelände holten wir das Frühstück in einer der zahlreichen Bars nach. Diese Bars führen aber nur Cafe, nerviges Fernsehgequäke, Bier, Cola usw. Zu essen sucht man vergeblich. Generell sind Backwaren (außer das allgegenwärtige Weißbrot) sehr rar. Wir fanden dann aber noch einen Stand an dem wir köstliche Hörnchen für fast kein Geld kaufen konnten. Die wollten wir im Garten unserer Pension verdrücken. Dabei stießen wir auf das nächste Problem: Der Pensionswirt ging ja davon aus, dass wir erst um 3 mit dem scheppernden Rumpelexpress wieder kämen. Und so war das hohe Gartentor fest verschlossen. Zum Glück erreichten wir ihn per Handy und es dauerte keine 10 min und er kam mit seinem Auto angebraust. Er sei Lehrer und müsse gleich wieder weg, weil in 6 min die Pause zu Ende wäre. So konnten wir uns trotzdem noch in aller Ruhe stärken, Klamotten packen und die Räder satteln.
Mit der unfreiwillig gewonnenen Zeit wollten wir nun langsam und gemütlich einige Kilometer westwärts in Richtung Budapest rollen. Dadurch würden sich unsere letzten 4 Etappen wenigstens noch ein wenig verkürzen.
Kaum auf die Hauptstraße eingebogen, rief uns schon ein sportlich, modern gekleideter Mountainbiker zu und fragte, ob wir Deutsche seien.
Sofort entbrannte während der Fahrt eine angeregte Diskussion über das woher und wohin los. Es stellte sich raus, dass er (Alexandru) bei seiner deutschstämmigen Oma Deutsch gelernt hatte. Außerdem hat der eine Cousine in Augsburg, die er öfters besucht. Er ist bei der Berufsfeuerwehr und hatte heut frei. In seiner freien Zeit fährt er viel mit seiner Frau durch die Karpatenwälder. Er konnte uns die Frage auch nicht beantworten, warum in Rumänien so gut wie keine sportlich ambitionierten Radler unterwegs seien. Es ist ja nicht so, dass hier keiner Rad fährt. Den gemeinen rumänischen Radfahrer hört man schon von weitem. Man trifft hier nämlich auf kein Fahrrad, dass nicht quietscht und klappert. Darüber hinaus scheint die durchhängende Kette und fast keine Luft auf den Reifen hierzulande zur ersten Fahrradfahrerpflicht zu gehören.
Mehrfach bedauerte unser rumänischer Fahrradfreund, dass wir uns nicht gestern schon kennengelernt haben. Es gäbe doch so viel zu erzählen und wir hätten bequem bei ihm schlafen können…
Nach ca. 10km trennten sich unsere Wege dann. Aber vorher wurden noch Adressen und Nummern ausgetauscht.
Unser Weg führte uns jetzt ein Seitental hinauf. Wieder war die Strecke von Pferdefuhrwerken und die bergige Landschaft von den typischen rumänischen Riesenheuschobern geprägt.
In Bocioel fand Frank mitten auf dem Weg eine Pferdepeitsche. Da weit und breit keiner zu sehen war, wurde die Peitsche zunächst einmal mitgeführt. Ganz oben auf dem Pass sahen wir schon 2 Pferdekarren mit einer (Groß)-Familie Sinti und Roma. Es war offensichtlich, dass sie was suchten. So gab Frank die gerade erbeutete Peitsche sehr zur Freude aller Anwesenden heraus. Weiterhin vermachten wir den dunkelhäutigen Fuhrwerksbesatzungen unser restliches halbes Weißbrot von gestern. Spätestens jetzt waren wir froh, nicht wie gestern von allen Beteiligten abgekusselt worden zu sein. Es dauerte auch nicht lange und die Leutchen fingen an nach Geld zu betteln.
Da verabschiedeten wir uns artig und brausten den Pass auf der anderen Seite wieder hinunter.
Auch hier war die Landschaft wieder saftig grün und Erntearbeiten aller Art waren im vollen Gange.
In Barsana erreichten wir die ersten hier landestypischen und sehr berühmten hölzernen Kirchen.
Es handelte sich aber um ein Kloster, dessen Ursprünge bis auf 1390 zurückgehen. Was heute zu sehen ist, sind Nachbauten von 1993, allerdings in feinster Ausführung.
Langsam kam nun der kleine Hunger auf und wir begaben uns auf die Suche nach einem geeigneten Restaurant. Das ist aber (außer in großen Städten oder Touristengegenden) recht schwierig. Flächendeckend gibt es hier Bars und Cafes. Außer dem obligatorischen Nerv-Fernseher haben die aber ausschließlich Getränke aller Art im Angebot. Außerdem kommt man regelmäßig an Tante Emma Läden mit angeschlossener Biertischgarnitur vorbei. Da kann das im Laden gekaufte umgehend davor verkonsumiert werden.
Nach dem Anschauen einer weiteren alten Holzkirche (die allerdings verschlossen war)
entschlossen wir uns in einer Pension abzusteigen. Hier wird noch richtig von der Pensionsmama gekocht. Nach einem Begrüßungsschnaps gab es einen riesigen Topf köstliche Hühnersuppe, Steak mit Kartoffelbrei, Salat und Kuchen im Anschluss. Damit war jeder Hunger vertrieben.
Hallo Ihr zwei Radfahrer,
Eure Berichte sind wirklich Spitze. Auch ich kann mich der Meinung nur anschließen, dass Ihr Bücher schreiben solltet. Natürlich nur dann, wenn es keinen Blog zu schreiben gibt. Mich freut besonders, dass die Verpflegung der Ungarn-Tour noch ein wenig nachwirkt ;-)). Genießt die letzten Tage, Eure Ankunft in Budapest und bleibt vor allem unfallfrei. Vielleicht findet sich ja noch Gelegenheit zum küssen.
Liebe Grüße Kerstin und Ronny